Entstehung und Auswirkungen im Erwachsenenalter

Vermeidungsverhalten bezeichnet die Tendenz, unangenehme oder herausfordernde Situationen zu vermeiden, anstatt sich ihnen zu stellen. Es beginnt oft in der Kindheit und kann das Leben im Erwachsenenalter erheblich beeinflussen, wenn es nicht erkannt und bearbeitet wird. Die Ursprünge von Vermeidungsverhalten liegen meist in frühen Erfahrungen, die von Angst, Scham oder Unsicherheit geprägt sind.


Wie Vermeidungsverhalten in der Kindheit entsteht


Kinder entwickeln Vermeidungsverhalten häufig als Schutzmechanismus. Wenn sie mit belastenden Situationen konfrontiert sind, sei es durch überfordernde Erwartungen, Kritik oder emotionale Ablehnung, suchen sie nach Wegen, diesen Situationen zu entkommen. Ein Kind, das etwa wiederholt die Erfahrung macht, für Fehler kritisiert zu werden, könnte sich schrittweise zurückziehen und riskante Situationen vermeiden, um zukünftige Kritik zu verhindern. Es lernt, dass es sicherer ist, sich passiv zu verhalten, als sich der Gefahr des Versagens auszusetzen.


Mögliche Ursachen für Vermeidungsverhalten in der Kindheit:

  • Übermäßige Kontrolle oder Perfektionismus seitens der Eltern: Wenn Kinder das Gefühl haben, dass nur Perfektion von ihnen erwartet wird, vermeiden sie neue oder unbekannte Herausforderungen, aus Angst, Fehler zu machen.

  • Mangel an emotionaler Unterstützung: Kinder, die nicht ausreichend ermutigt oder bestätigt werden, fühlen sich oft allein und haben Angst, Neues auszuprobieren.


Negative Erfahrungen in sozialen Kontexten: Kinder, die von anderen ausgegrenzt oder gehänselt werden, entwickeln ein tiefes Misstrauen gegenüber neuen sozialen Situationen.

Auswirkungen von Vermeidungsverhalten im Erwachsenenalter

Wenn Vermeidungsverhalten unbemerkt bleibt, kann es das Leben eines Erwachsenen in vielerlei Hinsicht negativ beeinflussen. Es führt oft dazu, dass Menschen ihren potenziellen Erfolg nicht ausschöpfen oder sich in Komfortzonen gefangen halten.

Ein typisches Beispiel ist, dass Erwachsene keine neuen Wege einschlagen oder keine Herausforderungen annehmen, selbst wenn dies Chancen auf persönliches Wachstum bieten würde. Das Vermeiden von Unsicherheit wird zu einem Muster. So wird der Job gewechselt, weil es dort immer wieder Konflikte gibt, anstatt sich diesen zu stellen. Oder es werden neue Erfahrungen wie eine berufliche Fortbildung oder ein Umzug in eine andere Stadt vermieden, da der Gedanke an die Unsicherheit und möglichen Misserfolg lähmend wirkt.


Die langfristigen Auswirkungen können folgende sein:

  • Eingeschränkte Lebensqualität: Das Vermeiden neuer Situationen und Chancen schränkt den Lebensweg ein. Dies führt oft zu stagnierender persönlicher Entwicklung und ungenutzten Möglichkeiten.

  • Verschlechtertes Selbstwertgefühl: Menschen, die immer wieder vermeiden, ihre Komfortzone zu verlassen, entwickeln oft ein geringes Selbstbewusstsein, weil sie nie lernen, ihre Fähigkeiten auszutesten oder Erfolge zu erleben.

  • Angststörungen und Depressionen: Vermeidungsverhalten kann Ängste verstärken, weil die Person nie lernt, dass Herausforderungen bewältigt werden können. Langfristig kann dies auch zu Depressionen führen, da das Gefühl von Hilflosigkeit und Resignation überhandnimmt.

Eigenständig neue Wege gehen oder ausprobieren


Nehmen wir als Beispiel eine Person, die schon immer davon träumte, ein eigenes kleines Unternehmen zu gründen. In der Kindheit wurde ihr jedoch oft gesagt, dass sie auf Nummer sicher gehen soll und dass das Risiko zu groß ist. Auch in der Schule hörte sie, dass es „besser ist, sich an die Regeln zu halten“ und „nicht aus der Reihe zu tanzen.“ Diese Erfahrungen haben sie geprägt.

Als Erwachsener vermeidet sie nun alles, was mit Unsicherheit und Risiken zu tun hat, obwohl der Traum von der Selbstständigkeit noch in ihr lebt. Statt eigene Ideen auszuprobieren, bleibt sie in einem sicheren, aber unbefriedigenden Job. Der Gedanke, die Komfortzone zu verlassen, ist zu beängstigend. Jedes Mal, wenn sie daran denkt, etwas Eigenes aufzubauen, tauchen innere Zweifel auf: „Was, wenn ich scheitere?“ oder „Was, wenn mich niemand unterstützt?“.

Um das Vermeidungsverhalten zu durchbrechen, müsste diese Person zunächst ihre Ängste validieren und anerkennen, dass diese Ängste in ihrer Kindheit eine schützende Funktion hatten. Sie sollten jedoch nicht mehr das Erwachsenenleben bestimmen. Durch kleine, mutige Schritte – wie z.B. das Planen eines kleinen Projekts, das Sammeln von Informationen oder das Sprechen mit Menschen, die bereits den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben – kann sie lernen, dass Unsicherheit nicht zwangsläufig negativ ist. Im Gegenteil, Unsicherheit bietet oft das größte Potenzial für persönliches Wachstum.

Der Weg aus dem Vermeidungsverhalten

Der erste Schritt zur Überwindung von Vermeidungsverhalten besteht darin, sich seiner Angst zu stellen und zu verstehen, dass es völlig normal ist, sich in herausfordernden Situationen unwohl zu fühlen. Doch anstatt vor der Angst zurückzuweichen, ist es wichtig, in kleinen Schritten neue Wege auszuprobieren.

Zusätzlich kann der Austausch mit anderen Menschen – sei es in Form von Therapie oder Selbsthilfegruppen – enorm hilfreich sein. Vermeidungsverhalten ist kein starres Muster. Mit der Zeit und durch bewusste Entscheidungen kann jeder lernen, seine Ängste zu überwinden und neue Wege einzuschlagen, die zu einem erfüllteren und selbstbestimmteren Leben führen.

Vermeidungsverhalten ist also ein Schutzmechanismus, der in der Kindheit entstanden ist und ursprünglich hilfreich war, um uns vor unangenehmen Erfahrungen zu bewahren. Doch als Erwachsene müssen wir erkennen, dass diese Schutzstrategien uns oft daran hindern, das Leben voll auszuschöpfen. Nur indem wir bewusst neue Erfahrungen zulassen und uns unseren Ängsten stellen, können wir unser Potenzial entfalten.

Vermeidungsverhalten